Die Bürgeropposition und die Beseitigung der Alleinherrschaft des patrizischen Rates
Während der frühbürgerlichen Revolution gab es in Wismar Unruhen unter den Bürgern. Im Winter 1522/23 formierten diese sich zu einer Kampf und der bürgerlichen und plebejischen Opposition. Diese Front ging gegen die Machtposition des Wismarer Rates vor. Damit schwächte dieser aber auch Wismars Stellung innerhalb der Hanse. Anlass war eine ungesetzliche Kornausfuhr zu den Niederlanden durch die Wismarer Ratsherren.
Die Ratsherren erzielten damit hohe Handelsprofite auf Kosten der Stadtbewohner. Der Kornpreis stieg von 3 auf 5 Schilling pro Scheffel an. Dies war der Auslöser für den Zusammenschluss der bürgerlichen und plebejischen Oppositionsbewegung. Sie sah dies als Verstoß gegen die Lebensinteressen der Wismarer Bevölkerung. Die aufgebrachte Bevölkerung begann in Massen spontane Demonstrationen auf dem Marktplatz. Sie drohten damit die Schuldigen Ratsherren aus dem Fenster zu stürzen.
Der Wismarer Rat war gezwungen dem Einsatz eines Bürgerausschusses zuzustimmen. Dieser setzte sich aus 20 Kaufleuten, Brauern und Schiffer sowie 20 Handwerksmeistern zusammen. Der Ausschuss untersuchte den unerlaubten Kornhandel und beschlagnahmte das restliche Getreide in den Speichern. Auch dieses war für den unerlaubten Export von der Oberschicht vorgesehen gewesen. Der Ausschuss schaffte es Entschädigungen für bestimmte Bevölkerungskreise durchzusetzen. Ein Bürgermeister und zwei Ratsherren die an der Getreidespekulation beteiligt waren verloren ihre Ämter.
Damit wurde die Alleinherrschaft des patrizisch Rates in den Zeiten der frühbürgerlichen Revolution beseitigt. Der Stadtrat war gezwungen die Macht des Bürgerausschusses anzuerkennen. Verschiedenen Ratsämter wurden ein bis 2 Vertreter des Ausschusses zugeordnet. Die Bürgeropposition nahm dem Wismarer Stadtrat sogar die Stadttorschlüssel ab.
Die Oppositionsbewegung fand mit dem Eindringen der Wiedertäuferbewegung in Wismar ein Ende. Die plebejischen Opposition setzt ihre Ziele weiter als die gemäßigte Bürger Opposition, was zu Konflikten zwischen beiden Parteien führte. Die plebejischen Schichten bevorzugten die Lehren der Wiedertäufer und in den Wismarer Kirchen kam es zur Bilderstürmerei und Auflehnung gegen die weltliche und geistliche Obrigkeit. Durch den hanseatischen Städtebund, den mecklenburgischen Herzog und den Stadtrat wurden öffentliche Predigten dieser Bewegung wegen sozial-revolutionärer Inhalte verboten.
Das revolutionäre Vorgehen der plebejischen Opposition wurde stark verurteilt. Das Vorgehen des Bürgerausschusses und die lutherischen Pfarrer führte zu einem Bruch des Bündnisses zwischen den Oppositionsparteien. Denn mecklenburgische Herzog bekam damit eine Gelegenheit sich in die innerstädtischen Angelegenheiten einzumischen. Er setzte sich zum Ziel die Machtstellung des Rates wieder zu festigen. 1537 wurde darauf der Bürgerausschuss aufgelöst und der patrizisch Rat hatte wieder die alleinige Herrschaft inne.
Ihr Bürger Opposition von Wismar schaffte es 1583 die Zulassung eines Bürgerausschusses „für ewige Zeiten“ durch den Herzog bestätigen zu lassen. Die Bestätigung erfolgte in Form eines Bürgervertrages. 1583 gab es erneut Kämpfe um eine Änderung der Stadtverfassung. Ursache für diese Kämpfe waren Widersprüche zwischen der Ratsoligarchie und den Ämtern, die den Kern der bürgerlichen Opposition bildeten. Ein Ende fand diese Kämpfe mit der Annahme des Bürgervertrages 1600. Der Wismarer Rat bestand demnach nicht mehr aus dem Patriziat sondern aus der gesamten handelskapitalistischen Oberschicht. Später ging aus der Oberschicht die Ratsoligarchie hervor, die versuchte die öffentliche Gewalt an sich zu reißen.
Quelle: Rat der Stadt Wismar (Hrsg.): Wismar 1229-1979. Beiträge zur Geschichte einer Stadt. Rostock 1979.
Originally posted 2018-09-12 08:30:00.